Gestern* sah ich die sehr interessante, zum Nachdenken anregende Dokumentation
„How To Kill A Human Being.“ Darin ging es allerdings nicht um
eine Anleitung, wie man den Nachbarn am effektivsten und
geräuschlosesten um die Ecke bringt, sondern um die Methode des
Tötens in staatlichem Auftrag. Todesstrafe ansich ja ist schon ein
sehr kontroverses Thema. Derzeit findet sie noch in Teilen der USA,
Großteilen Afrikas und im Süden Asiens Anwendung. Man schätzt,
dass es seit 1976 allein in den USA bis zu 100 Fehlurteile,
Justizirrtümer und Hinrichtungen Unschuldiger gab. Ich möchte hier
aber weniger auf das für und wider der Todesstrafe eingehen, sondern
auf die Art, wie sie vollstreckt wird. Ich werde dabei Bezug zu der
Frage herstellen, was wir uns generell unter humanem Töten
vorstellen und ob die besprochene Methode diese Kriterien erfüllt.
Was
also ist humanes Töten? Ohne groß darüber nachzudenken würde ich
sagen, dass es schnell gehen muss, schmerzfrei und der Körper dabei
möglichst unbeschadet bleiben soll. Derzeit gibt es verschiedene
Methoden, die aktiv benutzt werden: Die Todesspritze, der elektrische
Stuhl, Erhängen und eine Art Gaskammer, wie sie im zweiten Weltkrieg
benutzt wurde, sind wohl die populärsten Methoden. In der
Dokumentation untersucht der Autor nun die aktuellen Methoden auf
ihren humanitären Charakter.
Elektrischer
Stuhl: Der Verurteilte soll mit 2400 V über 15 Sekunden so geschockt
werden, dass das Herz stehen bleibt. Dazu gibt’s n nassen
Naturschwamm auf den Kopf, der eine extrem gute Leitfähigkeit
besitzt, um die Zeit zu verkürzen und die Schmerzen zu vermindern.
Nur scheinen die Exekutoren oft zu dämlich zu sein und vergessen den
Schwamm oder benutzen einen synthetischen, der dann eher dazu
führt, dass der Kopf gebraten wird. Alles sehr unschön anzusehen
(wurde an nem toten Schwein demonstriert). Und weh tut es bestimmt
auch.
Erhängen:
Wie viele fälschlicherweise annehmen, soll der Tod nicht
durch Ersticken, sondern durch Genickbruch erfolgen. Dazu gibt es
bestimmte Tabellen, wie lang das Seil sein muss, damit das Gewicht
des eigenen Körpers auch ja den Genickbruch herbeiführt.
Hauptproblem: Die Anatomie der Menschen ist sehr unterschiedlich und
Körpergewicht nicht der einzige Faktor. Deswegen kommt es bei mehr
als einem Drittel der Fälle vor, dass der Verurteilte dann
letzendlich doch erstickt, weil das Seil zu kurz war. Dass Ersticken
dann mehr oder weniger mit Schmerzen verbunden ist, sollte klar sein.
Gaskammer:
Funktioniert recht simpel. Der Verurteilte sitzt in einer Kammer und
es wird Kohlenstoffmonoxid hinein geleitet, was die Bindung des
Sauerstoffs im Blut verhindert und dadurch zu Hypoxie führt. Dabei
kriegt er die Anweisung ruhig und tief zu Atmen, damit das Gas
schnell ins Blut transportiert wird und so keine Schmerzen auftreten.
Es klingt aber irgendwie paradox den zum Sterben Verurteilten
aufzufordern sich aktiv an seiner eigenen Hinrichtung zu beteiligen.
In der Dokumentation wurde auch anschaulich gezeigt, dass es in so
einer (ähnlichen) Situation allen Intentionen zum Trotz kaum möglich ist, ruhig
zu atmen. Wenn man sich nicht an die Anweisungen hält wird es auf
jeden Fall sehr schmerzvoll, man fängt an aus allen Körperöffnungen
zu bluten und allgemein wird’s sehr unschön.
Todesspritze:
Die wohl populärste aktuelle Methode besteht aus einem
3-Schritte-Prozess. Als erstes wird ein narkotisierendes Mittel
injiziert, sodass man bewusstlos wird. Als zweites folgt eine
Substanz die zur vollständigen Paralyse führt (innere Organe
funktionieren noch). Abschließend wird dann noch ein Toxin
injiziert, was den vollständigen Kreislaufstillstand zur Folge hat.
Allgemein wird diese Methode als schmerzfrei angesehen und da man
nach fünf Minuten bewusstlos ist, geht es für den Verurteilten auch
recht schnell vorbei. Nun ist es aber so, dass die ersten beiden
Schritte auch teilweise in exakt dieser Form in bestimmten
Operationen benutzt werden. In letzter Zeit häufen sich
Augenzeugenberichte, dass die Narkose nicht lange genug anhält und
der Patient kurz nach Einsetzen der Paralyse wieder Bewusstsein
erlangt. Betroffene schildern, dass es sich anfühlt, als würde Öl
durch die Adern fließen und man würde innerlich qualvoll verbrennen.
Abgesehen davon werden die Spritzen von unqualifizierten Technikern
gesetzt, da die Ärzte aufgrund ihres hippokratischen Eids nicht dazu
gezwungen werden sollen. Dadurch gibt es immer wieder schmerzhafte
Komplikationen. Eigentlich unvorstellbar, wie ich finde. Große
Sauerei alles.
Keine
der aktuellen Methoden scheint also garantiert schmerzfrei, schnell
und lässt dann den Raum auch noch einigermaßen sauber. Allerdings
existiert eine, die so aber noch nicht angewendet wird. Eine andere
Art der Hypoxie, welche mit ihren Gefahren vor allem
Extrembergsteigern bekannt sein sollte. Wenn man sich ohne Atemgerät
länger in großer Höhe (~3000 Meter) aufhält, erleidet das Gehirn
eine Unterversorgung von Sauerstoff, Hypoxie also. Allerdings eine
andere Art. Die Sauerstoffversorgung nimmt nicht rapide ab, sondern
wird nur langsam immer geringer. Das gefährliche daran ist: Man
merkt es nicht. Diese Art der hypoxie verursacht absolut keine
Schmerzen. Im Gegenteil, man geht durch die Mangelversorgung
langsamin einen Zustand der Euphorie über. Dies wurde auch in einem
Experiment nochmal dargestellt. Laut Aussagen des betreuenden Arztes
war die Versuchsperson höchstens 10 Sekunden davon entfernt das
Bewusstsein zu verlieren, währen sie selbst hinterher aussagte, dass
sie dachte das Experiment sei fehlgeschalgen, weil sie alle ihr
gestellten Aufgaben richtig beantwortete (was sie nicht tat) und nichts
sonst bemerkte. Sie war nicht mal in der Lage sich selbst das Atemgerät
wieder selbstständig anzuziehen, da es ihr „irgendwie einfach
äußerst unwichtig“ erschien. Diese Form der Hypoxie könne laut Dokumentation auch
durch ein bestimmtes Gas hervorgerufen werden, was die sozusagen
„perfekte Tötungsmethode“ darstellen würde.
Anhänger
der Todesstrafe sind erschreckenderweise aber gar nicht so erfreut
über diese Methode. In einem Interview sagte einer sinngemäß: „Ich
will nicht, dass die Verurteilten in Euphorie sterben. Das haben sie
nicht verdient. Ihre Opfer mussten auch leiden.“ Als ich das gehört
habe, bin ich fast aus dem Bett gefallen. Nicht nur der Tod, auch der
schmerzhafte Prozess des Sterbens (eine finale Folter, also) soll
also die Bestrafung sein. Das Leute so denken finde ich zielich verwerflich. Und wo zieht man die Grenze zum Verbrecher selbst? Man tut so, als wär
man die Moral in Person, im Grunde genommen geht es aber nur um
Vergeltung. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Da kommt es mir so
vor, als lebten wir noch im Mittelalter (oder der Türkei), wo Ehrenmorde ja noch Gang
und gebe waren. Ist es also tatsächlich human, wenn der Verurteilte
auch Schmerzen erleiden muss? Eine fallbezogene Humanität sozusagen?
Ich kann dem auf keinen Fall zustimmen. Eigentlich bin ich ja ein
sehr toleranter Mensch, aber solch eine Missachtung meiner
moralischen Grundsätze kann ich weder nachvollziehen, noch
akzeptieren. Für mich war es auf jeden Fall sehr lehrreich zu
erfahren, dass es Fälle gibt, wo meine Toleranz für andere
Ansichtsweisen tatsächlich eine Grenze hat.
*Dieser Beitrag wurde am 16. Januar 2012 lokal verfasst und fiel mir heute wieder in die Hände.